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„Reden ist Gold – Schweigen schützt Täter“: Fachtag zum Gewaltschutzkonzept der Stiftung Scheuern


Am 15. November 2025 lud die Stiftung Scheuern gesetzliche Betreuer*innen und Angehörige zu einem Fachtag ein. Thema war Gewalt: ihre Definition für die Stiftung Scheuern, Sensibilisierung, Prävention und Unterstützung von Betroffenen. Zahlreiche Unterthemen standen auf der Agenda.

Trotz des schwierigen Themas kamen rund 120 Personen aus der Stiftung Scheuern und ihrem Umfeld. Die Bedeutung des Themas zeigte sich auch an den Beiträgen zahlreicher Gremien wie Betreuerrat, Werkstatträte, Frauenbeauftragte und Bewohnervertretungen.

Bernd Feix, pädagogischer Vorstand, sprach von der „Zumutung“, die das Thema Gewalt auslösen könne. Dennoch sei es wichtig, darüber zu reden und sich bewusst zu machen, welche Formen es gibt. Besonders Menschen ohne eigene Stimme brauchen Fürsprecher. Wer Gewalt kennt und schweigt, schützt Täter: „Schweigen ist Täterschutz“.

Auch die Referentinnen Svenja Schwarz-Bremer und Dana Niedzwetzki, vom Casemanagement und dem Begleitenden Dienst der Werkstätten der Stiftung Scheuern, betonten: Gewalt bedeutet nicht nur sexualisierte Gewalt. Nach Definition der Stiftung umfasst sie körperliche, seelische und psychische Gewalt, Machtausübung sowie strukturelle Gewalt, etwa durch bauliche Gegebenheiten.

Feix betonte, dass Kontexte von Gewalt keine Entschuldigung seien, aber Chancen böten, gemeinsam zu lernen und Veränderungen anzustoßen, um Gewalt künftig zu verhindern. Er stellte klar, dass der Fachtag zwar den Gewaltschutz für Menschen mit Behinderung fokussiert, das Konzept der Stiftung aber auch Mitarbeitende und Dritte schützt.

Feix und die Referentinnen erläuterten die Umsetzung des Gewaltschutzkonzepts: Nach der Entwicklung folgt eine Risikoanalyse mit allen Beteiligten, um Sensibilisierung und Austausch zu fördern. Für 2026 sind Beschwerde- und Meldewege sowie intensive Präventionsarbeit geplant – für eine Kultur der Offenheit. Feix schloss mit klaren Worten: „Keine Toleranz für Gewalt, keine Ausreden, keine Kompromisse“. Verstöße würden konsequent geahndet.

Nachdem Dr. Elisabeth Schmitt, Vorsitzende des Betreuerrats, den Tätigkeitsbericht zum vergangenen Jahr für den Betreuerrat abgelegt hatte, forderte sie: „Wir brauchen Mut, Haltung und schützende Strukturen.“ Sie appellierte, das Schweigen zu brechen und betonte die Verantwortung der Betreuer*innen, loyal zu Menschen mit Behinderung zu stehen und Gewalt konsequent zu melden. Es sei entscheidend, Haltung und Charakter zu zeigen.

Zur Sensibilisierung der Teilnehmenden für Gewalttaten und ihre Rahmenbedinguungen hatte die Stiftung drei Referentinnen eingeladen. Christine Seebohm definierte Gewalt als „absichtlichen Gebrauch von angedrohtem oder ausgeübtem Zwang oder psychischer Macht“. Sie und Sophia Schreiber (Diakonie Hessen) zeigten: Je höher der Assistenzbedarf, desto größer das Risiko, Gewalt zu erfahren. Umso wichtiger seien Aufklärung und Sensibilisierung für Grenzüberschreitungen.

Die Stiftung betreibt Gewaltprävention schon lange: Deeskalationstraining (ProDeMa) mit Multiplikatorenteam, flächendeckender Einsatz von Sexualpädagogen und Umwandlung körpernaher in körperferne freiheitsentziehende Maßnahmen nach Notwendigkeit und Genehmigung – dafür gilt sie landesweit als Modell. Neu sind Tandemschulungen von Mitarbeitenden und Werkstattbeschäftigten, wie Patrick Kucera vom Werkstattrat berichtete. All dies hilft, Gewaltpotenziale zu reduzieren.

Antje Bremer vom Verein „Gegen unseren Willen“ klärte über sexualisierte Gewalt auf und betonte die besondere Vulnerabilität von Menschen mit Behinderung. Kleine Lebenswelten und hoher Assistenzbedarf erhöhen das Risiko. Sie gab praktische Tipps für Gesprächsführung, Hinsehen und Hinhören, um Gewalt zu erkennen, und brachte Materialien aus der Beratungsarbeit mit.

Sophia Schreiber von der Diakonie Hessen stellte die 2024 veröffentlichte ForuM-Studie zur sexualisierten Gewalt in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen vor. Der laufende Aufarbeitungsprozess zielt auf einheitliche, einfache Meldeverfahren, Schulungen, regelmäßige Evaluation und Anpassung der Schutzkonzepte und könne damit als eine Art Blaupause für Mitgliedseinrichtungen dienen.

Mehr lesen:
ausführlicher Veranstaltungsbericht

Vortrag Christine Seebohm, seebohm-qs.de, Gewaltsituation erkennen, Selbstbestimmung stärken (folgt noch)

Vortrag Antje Bremer, Gegen unseren Willen e.V. aus Limburg zu sexualisierter Gewalt

Vortrag Dana Niedzwetzki und Svenja Schwarz-Bremer zum Gewaltschutzkonzept der Stiftung Scheuern

Vortrag Sophia Schreiber, Diakonie Hessen, zur ForuM-Studie

Personalie: 

Dana Niedzwetzki, seit Frühjahr 2025 Leiterin des Begleitenden Dienstes, präsentierte gemeinsam mit Svenja Schwarz-Bremer das Gewaltschutzkonzept. Niedzwetzki arbeitet seit 2019 bei der Stiftung und verantwortet Sozialdienst, Sport, Ausgleichsmaßnahmen und Beförderungsplanung. Für 2026 plant ihr Team aktivierende und gesundheitsfördernde Angebote. Zum sechsköpfigen BD-Team gehören neben ihr Sascha Deman, Elke Friedrich, Aliah Gregorius, Marco Himmighofen und Volker Leiberger.