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Seit 50 Jahren gibt es in der Stiftung Scheuern Heilerziehungspfleger


Vor einem halben Jahrhundert schlossen in der Stiftung Scheuern die ersten Mitarbeiter einen hausinternen Ausbildungskurs zum Heilerziehungspfleger ab – Offiziell gibt es den Beruf in Rheinland-Pfalz erst seit rund 25 Jahren.

„Es gibt schon mal Tage, die sehr anstrengend sind“, sagt Inge Siemens. Trotzdem hat sie es  noch keine Sekunde bereut, dass sie nach der Erziehungspause noch einmal die Schulbank gedrückt und von Buchhändlerin auf Heilerziehungspflegerin umgesattelt hat. Seit Juli 2015  arbeitet sie nun als Quereinsteigerin im „Schlösschen“ der Stiftung Scheuern in Nassau, betreut gemeinsam mit ihren Kollegen 13 Menschen mit Behinderung, die bei der Bewältigung ihres Alltags auf Hilfe angewiesen sind. Menschen wie den 27-jährigen Andreas, der seinen sprachlichen Einschränkungen zum Trotz offensichtlich ein ausgesprochen kommunikativer Mensch ist. „Seitdem Andreas hier ist, hat er schon große Fortschritte gemacht“, freut sich Inge Siemens und fügt hinzu: „Das Schöne an diesem Beruf ist eben, dass man sehr intensiv mit Menschen arbeitet. Und dass es eine sehr vielfältige Tätigkeit ist, die einen sowohl in pädagogischer als auch in pflegerischer Hinsicht fordert.“

Heilerziehungspfleger – ein zu Unrecht in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannter Beruf, den es  in Rheinland-Pfalz streng genommen erst seit rund 25 Jahren gibt: Nach der Einführung des Berufsbilds durch die damalige Landesregierung im Sommer 1989 boten die Kreuznacher Diakonie und die Berufsbildenden Schulen in Ludwigshafen, Linz am Rhein und Mayen im September 1990 erstmals einen entsprechenden Ausbildungsgang an. In der von Gerfried Scheuermann geleiteten Lehrplankommission wirkte auch Karl-Heinz Enderich, Mitarbeiter der „Heilerziehungs- und Pflegeheime Scheuern“, wie die Einrichtung damals noch hieß, maßgeblich mit.

Dort startete bereits im November 1964 erstmals ein hausinterner Ausbildungskurs für Heilerziehungspfleger, den drei Mitarbeiter im Februar 1966 und sechs weitere im August desselben Jahres erfolgreich abschlossen. Was aber höchstens als Tropfen auf den heißen Stein taugte: „Das Dilemma im Zusammenhang mit dem damaligen Ausbildungsstand der Mitarbeiter war, dass es überhaupt kein adäquates Berufsbild für die Arbeit in den Pflegeeinrichtungen gab“, erinnert sich Peter Nettesheim, der von 1972 bis 2004 in Scheuern arbeitete. „Erzieher hatten eine pädagogische Ausbildung, aber keine pflegerischen Kenntnisse. Krankenschwestern und -pfleger verfügten zwar über pflegerische Kenntnisse, hatten in der Regel aber wenig Ahnung von Pädagogik. Es fehlte also im Grunde genommen das Berufsbild, das zwischen Krankenpflege auf der einen und Pädagogik auf der anderen Seite lag.“ Um diese Lücke zu schließen, schuf man die Position eines pädagogischen Leiters, der den Mitarbeitern hausintern Grundkenntnisse in der Heilerziehungspflege vermittelte.

Doch zurück in die Gegenwart: Inge Siemens, die heute gemeinsam mit ihrer Kollegin Stefanie Novakovski Frühschicht hat,  ruft am Computerbildschirm ein Dokumentationsprogramm auf, das sich auf die mit dem Kostenträger vereinbarten Teilhabepläne stützt und in dem es jede erbrachte Maßnahme festzuhalten gilt. „Dazu zählen Medikamentengaben, aber auch Tagesstrukturierungshilfen und sonstige Maßnahmen der Assistenz“, erklärt sie. Morgenpflege, beim Ankleiden helfen, Frühstück machen,  die Bewohner für die Werkstatt oder Tagesförderstätte vorbereiten, Spazierengehen und, und, und… der Arbeitstag ist gut gefüllt mit Tätigkeiten, in die Inge Siemens und Stefanie Novakovki die Bewohner nach Möglichkeit mit einbinden. Dazu kommen „Bonbons“ wie  Einkaufsfahrten oder gemeinsame Restaurantbesuche. Und: Für jeden der betreuten Menschen gibt es einen Aktionsplan, der seiner individuellen Förderung und Weiterentwicklung dient. „Ein Bewohner hat auf diese Weise gelernt,  selbstständig zur Tagesförderstätte zu gehen“, nennt  Inge Siemens ein Beispiel und  betont: „Obwohl viele Arbeitsabläufe vorgegeben sind, wird es in diesem Beruf niemals langweilig.“

Ein Eindruck, den Wohnverbundleiterin Gabriela Ferdinand uneingeschränkt bestätigen kann. Als sie vor 30 Jahren hier anfing, war sie, die ihre Ausbildung in Niedersachsen gemacht hatte, die erste staatlich geprüfte Heilerziehungspflegerin in Scheuern. Wobei die Berufsbezeichnung in ihren Augen eher in die Irre führt: „Ich kann niemanden heilerziehen“, sagt sie. „Wir sprechen deshalb lieber von Assistenz oder Begleitung. Es geht darum, in Einzelfall zu schauen, wo der Betreffende steht und welche Unterstützung er braucht.“

Auf welche persönlichen Qualitäten es in diesem Beruf ankommt?  „Auf Einfühlungsvermögen, Geduld, Ausdauer und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen“, zählt Gabriela Ferdinand auf und fügt hinzu: „Außerdem muss man Menschen lesen können, das heißt ein Gespür dafür haben, was ihnen guttut und was nicht.“ Denn, so ist sie überzeugt: „Jeder Mensch, den wir betreuen, gibt uns eine Antwort, auch wenn er nicht reden kann.“ Sie habe nie einen anderen Beruf ergreifen wollen, betont sie: „Es ist eine Aufgabe, die einen erfüllt und an der man wachsen kann.“ Sicher, vor Frust ist man auch hier nicht gefeit – zum Beispiel, wenn sich bei einer Fördermaßnahme partout kein Fortschritt einstellen will. „Dann muss man flexibel genug sein, um sich selbst zu hinterfragen, die Maßnahme gegebenenfalls zu stoppen und noch einmal von vorne anzufangen“, stellt die Wohnverbundleiterin klar. Mühsam, klar, aber es lohnt sich. „Als Heilerziehungspfleger bekommt man von den Menschen, die man betreut, ganz viel Dankbarkeit und Emotionalität zurück“,  beobachtet Gabriela Ferdinand. Und noch etwas: „Uns kann man nicht wegrationalisieren. Unser Beruf hat Zukunft, denn es wird immer Menschen geben, die unsere Unterstützung brauchen.“ 

 

In drei Jahren zum Heilerziehungspfleger

Zu den Aufgaben eines Heilerziehungspflegers (HEP) gehören die Begleitung, Assistenz, Beratung, Unterstützung, Bildung und Pflege von Menschen mit geistigen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen. Heilerziehungspfleger arbeiten häufig in Wohnheimen, Werkstätten und Tagesförderstätten für Menschen mit Behinderung. Aber auch Förderkindergärten und -schulen und  Einrichtungen der Erziehungshilfe sowie Fachkrankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen zählen zu ihren potenziellen Arbeitgebern.  In Rheinland-Pfalz dauert die HEP-Ausbildung drei Jahre. Zugangsvoraussetzungen sind der Realschulabschluss und eine zusätzliche Qualifikation, zum Beispiel eine abgeschlossene, mindestens zweijährige Ausbildung in einem anderen Beruf. Alternativ kann man auch mit der allgemeinen Hochschulreife oder Fachhochschulreife in Verbindung mit einer mindestens viermonatigen Tätigkeit in einem einschlägigen Arbeitsbereich einsteigen. Schulische und praktische Ausbildung sind eng miteinander verzahnt: An drei Tagen in der Woche ist der angehende Heilerziehungspfleger an seiner Praxisstelle vor Ort, an den beiden anderen Tagen besucht er eine Berufs- oder Fachschule. Im Rhein-Lahn-Kreis ist die fachpraktische Ausbildung zum Heilerziehungspfleger unter anderem bei der Stiftung Scheuern möglich, die jährlich zehn Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Nächster Einstellungstermin für HEP-Auszubildende ist der 1. August, Bewerbungsfrist der 25. März. Info: Stiftung Scheuern, E-Mail personalmanagement@stiftung-scheuern, Internet <link http: www.stiftung-scheuern.de stiftung-als-arbeitgeber stellenangebote>www.stiftung-scheuern.de/stiftung-als-arbeitgeber/stellenangebote.