Erst einmal war Nico Kolbe also ein wenig orientierungslos – bis er sich entschloss, an der Unterstützten Beschäftigung des Berufsbildungs- und Integrationsservices (BIS), einer Dienstleistung der Stiftung Scheuern, teilzunehmen. Was das ist? Ganz einfach: eine normalerweise bis zu zweijährige, in Ausnahmefällen bis zu dreijährige, von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Träger wie etwa der Unfallversicherung finanzierte Maßnahme, die zum Ziel hat, Menschen mit Handicap für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Der Unterschied zu anderen Angeboten zur beruflichen Teilhabe: Die Teilnehmenden werden direkt auf dem ersten Arbeitsmarkt qualifiziert.
Allerdings nicht ohne eine vorherige Einstiegsphase im BIS, in der das Herausarbeiten ihrer beruflichen Stärken und Schwächen sowie die Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz für die zweite Phase der Unterstützten Beschäftigung, die Qualifizierungsphase, im Vordergrund stehen. Bei dieser Suche sei man auf eine Stellenanzeige der Jörg Dupp GmbH aufmerksam geworden, die damals Reinigungskräfte suchte, berichtet Svenja Göbler, die Nico Kolbe von Anfang an als BIS-Qualifizierungstrainerin intensiv betreut hat.
Zur Erklärung: Die Jörg Dupp GmbH ist, neben der Planung und Einrichtung von Großküchen, auf den Verkauf, die Vermietung und die Reparatur von Großküchentechnik spezialisiert – und Küchengeräte wie zum Beispiel Kombidämpfer, Kochkessel und Fritteusen müssen logischerweise auch gereinigt werden. Das Fachbacher Unternehmen war gern bereit, Nico Kolbe eine Chance zu geben. „Ich habe mich auf Anhieb hier wohlgefühlt. Die Arbeit macht mir Spaß, und die Kollegen sind nett und hilfsbereit“, erzählt der junge Mann bei einem Treffen vor Ort auf der Insel Oberau.
Nur die Reinigungsabteilung sagte ihm auf Dauer dann doch nicht zu. Nico Kolbe bat darum, einen anderen Arbeitsbereich kennenlernen zu dürfen. Kein Problem: Er konnte ins Lager für die Reparatur-Ersatzteile wechseln. „Auch das ist keine Selbstverständlichkeit, dass man als Praktikant innerhalb eines Unternehmens so unkompliziert den Arbeitsbereich wechseln kann“, sagt Svenja Göbler, die sich mehr Betriebe wünschen würde, die so offen für Menschen mit Handicap sind.
Als Lagerist hat Nico Kolbe nun genau die „Traumarbeit“, die er sich immer gewünscht hat. Er nimmt den Wareneingang entgegen, bucht ihn und ordnet die Ersatzteile, häufig mithilfe eines Hubmaststaplers, an der richtigen Stelle ins Regalsystem ein. Zu seinem Job gehört es natürlich auch, den Warenausgang zu managen, die Bestände zu überprüfen und bei Bedarf Ersatzteile nachzubestellen. „Da wir viele verschiedene Lieferanten haben, ist das eine ziemlich komplexe Aufgabe“, sagt Prokuristin Theresa Dupp, die Nico Kolbe sehr lobt: „Er ist zuverlässig, engagiert und hat sich sehr schnell integriert.“
Unterstützung bekam und bekommt er sowohl vonseiten der Jörg Dupp GmbH als auch vonseiten des BIS. Unter anderem hat man, um ihn Schritt für Schritt für seine Tätigkeit zu qualifizieren, einen Zeitplan mit den zu erreichenden Zielen ausgearbeitet. „Hier im Lager arbeitet noch ein zweiter Kollege, der zugleich sein fester Ansprechpartner ist. Unser Ziel war es, dass Nico ihn im Urlaub vollständig vertreten kann – und dieses Ziel ist erreicht“, freut sich Theresa Dupp. Auch über die Eigeninitiative des neuen Mitarbeiters: Um den Überblick über das Lager zu behalten, hat sich Nico Kolbe selbst einen großen Bauplan erstellt. „Hier bin ich am richtigen Ort“, sagt er über seine Tätigkeit. Sehr zupass kommt ihm dabei auch, dass es sich um eine gleichbleibende Arbeit handelt und es im Lager, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ruhig ist.
Eine echte Win-Win-Situation war es also, die jetzt in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis gemündet ist. Wobei die Betreuung durch das BIS nicht damit endet: „Aber sie wird jetzt weniger intensiv sein“, sagt Svenja Göbler, die Nico Kolbe bisher regelmäßig an seinem Arbeitsplatz besucht hat: „In der abschließenden Stabilisierungsphase der Unterstützten Beschäftigung, in der auch die bisherigen wöchentlichen Schulungstage im BIS entfallen, stehen wir den von uns betreuten Menschen dann noch je nach Bedarf zur Verfügung.“
Vonseiten der Behörden wird Nico Kolbe jetzt nicht mehr von der Agentur für Arbeit, sondern vom Integrationsamt betreut, das den Fokus auf den Erhalt des Arbeitsplatzes legt und tätig wird, falls es irgendwelche Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis gibt. Danach sieht es zurzeit aber überhaupt nicht aus: „Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen“, sagt Nico Kolbe, der den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt bereits nach einem knappen Jahr anstatt, wie bei der Unterstützten Beschäftigung vorgesehen, nach bis zu 24 Monaten geschafft hat.